20. März 2023
Im Westen nichts Neues
Ein sinnloses Gemetzel
Bester internationaler Film, beste Kamera, beste Filmmusik, bestes Szenenbild - mit den vier Oscars ist die Netflix-Neuverfilmung von „Im Westen nichts Neues“ in die allererste Riege der besten sog. internationalen, d. h. nicht-US-amerikanischen Filme aller Zeiten vorgestoßen. Nur drei Filme hatten das bisher erreicht.
Die technische Seite ist dabei nur das Eine. Das Gemetzel geht wirklich unter die Haut. Kamera, Szenenbild, die enervierende Filmmusik - das Package passt. Das steht Hollywood in nichts nach.
Nehmen wir zum Vergleich jetzt nur mal die Anfangssequenz aus Spielbergs „Private James Ryan“ von der Landung am D-Day in der Normandie: Das war schon auch ziemlich brutal. Überall Explosionen, die Leuchtspurkugeln pfeifen einem in allen Richtungen um die Ohren, abgerissene Gliedmaßen fliegen durchs Bild, die Soldaten sterben in Massen - ich meine, da bekam man schon im Kinosaal eine Ahnung davon, wie grausam der Krieg ist. Und das ist jetzt bei „Im Westen nichts Neues“ wieder so ähnlich. Das Grauen ist perfekt durchchoreografiert und in Szene gesetzt. Da möchte man schon echt nicht selber leibhaftig dabei gewesen sein. Und was aber bei dem neuen Film die Oberhärte ist und erschwerend noch dazu kommt - und damit kommen wir von der technischen auch zur inhaltlichen Seite des Films: Im Gegensatz zur Landung der Westalliierten an der Normandie, die ja doch die Niederwerfung der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in Europa zum Ziel hatte, hat das Gemetzel in „Im Westen nichts Neues“ überhaupt keinen nachvollziehbaren militärischen Sinn und Zweck!
Der Regisseur Edward Berger hat in mehreren Interviews darauf hingewiesen: Als Deutschem seien ihm jeder Heldenmut und Heroismus, (wie sie in Spielbergs Film ja noch am Werk sind,) in Folge der Bewältigung der unglückseligen deutschen Vergangenheit, die in seinem Land ja wohl gründlicher bewältigt worden sei als anderswo auf der Welt, völlig fremd. Und so hätte er sich auch schon lange gewundert, warum jener urpazifistische Bestseller „Im Westen nichts Neues“ von 1929 noch nie von einem Deutschen verfilmt worden war, und als Deutscher hätte er sich dann natürlich auch dazu prädestiniert gesehen, dieses jetzt endlich nachzuholen.
Der in aller Welt hochgeachtete Pazifismus und verantwortungsvolle deutsche Umgang mit der Vergangenheit ist aber leider noch nicht alles. Daneben gibt es bekanntlich in Deutschland auch noch eine weit verbreitete Neigung, an allem Möglichen immer sehr beckmesserisch herumzunörgeln. Und so kam dann der Film bei der deutschen Kritik auch erstmal überhaupt nicht gut an. Ungenügende historische Recherche und zahlreiche Ungenauigkeiten wurden dem Drehbuch vorgehalten. Weiter, dass sämtliche psychologisch vertiefenden Passagen aus dem Original, wie die Grundausbildung zum Kadavergehorsam, die bei manchen gelingt und bei manchen eben auch nicht; oder die ambivalente Rolle der Kameradschaft an der Front; oder die Szenen des Heimaturlaubs mit der Erfahrung, dass es gegenüber den Daheimgebliebenen keine Worte gibt, um ihnen das Erlebte mitzuteilen - dass all diese psychologisierenden Elemente in der Neuverfilmung komplett gestrichen wurden zugunsten der rein militärischen Schauwerte und der Action.
Die gravierendste Änderung in der Neuverfilmung ist aber die unsägliche neue Parallelmontage am Ende des Films. Da bemüht sich jetzt der unvermeidliche Daniel Brühl als sozialdemokratischer Unterhändler Matthias Erzberger um einen Waffenstillstand an der Westfront, wie um wenigstens noch dem letzten der Protagonisten des Films - die anderen sind alle schon gefallen - den Heldentod zu ersparen, bis dann aber - die Spannung ist am Siedepunkt - kurz vor knapp doch wieder solch ein Sturmangriff befohlen wird, ein sinnloser, wie eben alles sinnlos ist in diesem Film, und dem der Held dann ebenfalls doch auch noch am Ende zum Opfer fällt.
Und wie war das nochmal im Buch wie auch in der Erstverfilmung von 1930? Ein ganz normaler Tag im Stellungskrieg an der Front. Paul Bäumer sieht einen Schmetterling, streckt die Hand nach ihm aus, wird von einem Scharfschützen erschossen. Kommentar: „Der Heeresbericht verzeichnet an diesem Tag keine besonderen Vorkommnisse an der Westfront.“ So frustrierend-lapidar endete also Remarques Buch „Im Westen nichts Neues“. Die Neuverfilmung erfindet nun also einen kolossal spannenden finalen Showdown dazu, wenn auch ohne Happy-End, und müsste entsprechend jetzt eigentlich heißen: „Im Westen gibt's jetzt was Neues, (und auch in Farbe!) indem sich wenigstens Daniel Brühl humanerweise mit einer diplomatischen Mission noch bemüht hat, (wenn auch vergebens,) den hervorragenden österreichischen Schauspieler Felix Kammerer vor dem Soldatentod noch zu retten“.
Aber - genug genörgelt. „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land“, so haben der Regisseur Edward Berger und auch Daniel Brühl die ihrer Meinung nach überschießende Kritik aus Deutschland an ihrem Film kommentiert. Und sie schweben jetzt nach der Oscarverleihung verständlicherweise auf Wolke 7, und der Erfolg gibt ihnen natürlich recht.
Der Film war ja vor dem russischen Überfall auf die Ukraine bereits abgedreht und bekam durch ihn noch eine unverhoffte Aktualität, wie Regisseur Berger bei der Preisverleihung sagte. Das wird zu seinem Erfolg auch beigetragen haben.
Ein technisch gut gemachter Kriegsfilm ist das Eine. Das Andere ist, dass er auch etwas mit dem Hier und Heute zu tun haben sollte. Nur dann wird er sich auch einen Oscar als „Bester internationaler Film“ verdienen.
Nun, die Tagesaktualität der Netflix-Neuverfilmung von „Im Westen nichts Neues“ liegt auf der Hand: Wenn Putin und die russischen Militärs sich den Film mal ansehen würden, dann könnten sie sehen, wie es den von ihnen verheizten russischen Wehrpflichtigen an der Front ergeht. Und der ukrainische Hurrapatriotismus auf der anderen Seite ist aus unserer Sicht der deutschen Vergangenheitsspezialisten aber kaum weniger bedenklich! Bleibt als naheliegende Lösung eigentlich bloß Daniel Brühl und dass er sich in der Rolle von Alice Schwarzer oder Sarah Wagenknecht auf eine Friedensmission begibt, um im Austausch gegen gewisse ukrainische Gebiete wenigstens noch ein paar Soldatenleben zu retten.
18. Dezember 2022
Wie Deutschland die WM in Katar ganz knapp nicht gewonnen hat
„Wie Deutschland die WM in Katar ganz knapp nicht gewonnen hat“ - so hatten wir, mein Co-Autor Szabolcz Kiss und ich, unsere Nummer des Literarischen Zeitvertreibs betitelt, in der wir alle 64 Spiele der WM erzählt hatten, und zwar schon im Vorhinein!
Gewisse Abweichungen in unseren Prognosen von dem, wie die WM dann tatsächlich ablaufen würde, waren natürlich unvermeidlich. Aber im Großen und Ganzen lagen wir mit unseren Voraussagen nicht so schlecht, wie ich meine.
Unsere gröbste Fehlprognose war aber offensichtlich die titelgebende: In unserem Heft kamen die Deutschen bis ins Finale, in Katar schieden sie aber schon in der Vorrunde aus …
HIER finden Sie mehr dazu auf der Seite des Literarischen Zeitvertreibs.
06. Dezember 2022
Wie YouTube dann weiter herumgenervt hat
Im August hatte YouTube mich darüber informiert, dass ich mit einem meiner Videos gegen ihre „Richtlinien zu Belästigung, Drohungen und Cybermobbing“ verstoßen hätte. (Siehe den nächsten Tagebuch-Eintrag.) Ich hatte mich darüber ziemlich gewundert, da ich in dem inkriminierten Clip „Mein Name“ lediglich von mir selbst gesprochen und darüber aufgeklärt hatte, wie ich zu meinem Künstlernamen gekommen war. Aber mein Einspruch mit dem Argument, dann könne es sich bei dem Video doch unmöglich um „Belästigung, Drohungen und Cybermobbing“ handeln, wurde trotzdem abgelehnt und das Video war auf YouTube gesperrt geblieben.
Ich hatte dann - ebenfalls unten nachzulesen - einige Spekulationen darüber angestellt, wie es zu solch einer offensichtlichen Humbugmaßnahme gekommen sein könnte und was da wohl dahinter steckt. Zugespitzt und kurz zusammengefasst war ich zu dem Schluss gekommen, dass das Offenlegen jeder Identität, vor allem auch der eigenen!, den YouTube-Richtlinien gegen Belästigung etc. wohl deshalb widerspricht, weil es ihnen ja ihr ganzes riesenlukratives Hatespeech-Geschäftsfeld verhageln würde, wenn da jetzt plötzlich alle so wie ich anfangen würden, unter ihrer wahren Identität zu posten. Zu weit hergeholt? Kann sein. Jedenfalls bekam ich ein paar Wochen später dann die folgende, einigermaßen komplizierte und seltsame Nachricht von YouTube zugeschickt: -
Hallo Victor Halb,
du kannst jetzt einen Alias für deinen Kanal auswählen.
Wenn du eine personalisierte URL hast, wird diese in den meisten Fällen als Alias für deinen Kanal reserviert. Du brauchst dann nichts weiter zu unternehmen. Natürlich hast du aber die Möglichkeit, den reservierten Alias zu ändern. Auch wenn du aktuell noch keine personalisierte URL hast, kannst du einen Alias für deinen Kanal auswählen. Denk daran, dass Aliasse jeweils nur einmal vergeben werden können. Sobald also ein Kanal einen Alias festgelegt hat, kann dieser von keinem anderen Kanal mehr ausgewählt werden. Mit diesem Alias können Nutzer und Creator dich in Zukunft beispielsweise in Kommentaren und Communitybeiträgen erwähnen.
Viele Grüße, Das YouTube-Team
Ich soll also ein Alias auswählen. Mit diesem können mich die YouTube-Nutzer und -Creators dann erwähnen. Möglichst nicht mehr unter meinem Künstlernamen oder bürgerlichen Namen soll ich auf YouTube zu finden sein. Es sei denn, ich zahle dafür, oder wie? YouTube ist bekanntlich eine Tochter der größten Suchmaschine Google. Wird das dann dort auch irgendwann so sein - wie es die Facebook-Konkurrenz mit ihrem „Metaversum“ ja auch ganz offen anstrebt - dass man als Künstler oder auch politisch engagierter Mensch im Webspace nur noch zu finden sein wird, wenn man zuvor (mit seinen Daten oder in bar) dafür gezahlt hat?
Diese angeblich „sozialen“ Netzwerke sind zu wichtig und zu mächtig geworden, um weiter in privatwirtschaftlichen Händen zu bleiben. Zusperren!, sage ich. Enteignen! Und sie danach als gemeinnützige Strukturen, zum Beispiel unter dem Dach der EU, neu aufstellen!
31. August 2022
YouTube gegen Cybermobbing, Belästigung und Drohungen im Netz
YouTube schreibt mir: -
Hallo Victor Halb,
Unser Team hat deine Inhalte geprüft und festgestellt, dass sie gegen unsere Richtlinien zu Belästigung, Drohungen und Cybermobbing verstoßen. Dieser Verstoß war vielleicht von dir gar nicht beabsichtigt. Deshalb erhält dein Kanal keine Verwarnung. Die folgenden Inhalte wurden aber von YouTube entfernt:
Video: „Mein Name“
(5 min., 4 sec.; 2012)
In der Nachricht heißt es weiterhin: -
Was steht in den Richtlinien?
Inhalte, in denen personenidentifizierbare Informationen preisgegeben werden, sind auf YouTube nicht erlaubt. Wir prüfen von Fall zu Fall, ob es sich um bildende, dokumentarische, künstlerische oder wissenschaftliche Inhalte handelt. Begrenzte Ausnahmen gelten für Inhalte, bei denen ein ausreichender und angemessener Kontext vorhanden ist und die einen eindeutigen Zweck haben. [...]
Wir können verstehen, wenn du deswegen jetzt möglicherweise enttäuscht bist.
Enttäuscht bin ich eigentlich nicht. Ich habe mir halt gedacht, dass der Anti-Cybermobbing-Algorithmus von YouTube jetzt, nach gerade einmal zehn Jahren - denn solange war das Video online - erkannt hat, dass darin „personenidentifizierbare Informationen preisgegeben werden“ - ganz zurecht, denn genau darum geht es ja in dem Video - aber dass er offenbar damit überfordert war, zu beurteilen, ob es sich dabei vielleicht gar nicht um Cybermobbing dreht, sondern um „dokumentarische Inhalte, bei denen ein ausreichender und angemessener Kontext vorhanden ist und die einen eindeutigen Zweck haben“.
Und da es in dem YouTube-Schreiben weiterhin hieß: -
Wenn du der Meinung bist, dass es sich hierbei um einen Irrtum handelt, kannst du Beschwerde einlegen …
… habe ich das natürlich gleich getan: Beschwerde eingelegt, auf den dokumentarischen Inhalt hingewiesen und darauf, dass es sich ja wohl nicht um Cybermobbing, Belästigung und Drohungen handeln könnte, da ich ja ausschließlich von mir selbst reden würde, und dass entsprechend eindeutig ein „ausreichender und angemessener Kontext vorhanden“ sei und das Video „einen eindeutigen Zweck“ verfolgt, der mit Cybermobbing etc. nicht das geringste zu tun haben würde.
Nur wenige Stunden später bekam ich erneut Post von YouTube, und da hieß es dann: -
Wir haben deine Beschwerde zu Folgendem geprüft:
Video: „Mein Name“
Nachdem wir uns den Inhalt noch einmal angesehen haben, sind wir auch diesmal zu dem Ergebnis gekommen, dass er gegen unsere Richtlinien zu Belästigung, Drohungen und Cybermobbing verstößt. Wir können verstehen, wenn du deswegen jetzt enttäuscht bist. Wichtig ist uns dabei aber vor allem, dass YouTube eine sichere Plattform für alle Nutzer ist.
Welche Auswirkungen hat das auf deine Inhalte?
Deine Inhalte werden nicht auf YouTube reaktiviert.
Zuerst hatte ich das dann fälschlicherweise persönlich genommen und als eine Retourkutsche aufgefasst dafür, dass ich mich in anderen Videos auf YouTube auch schon einmal gegen die kommerzielle Verseuchung der Plattform, gegen Big Data in privatwirtschaftlichen Händen generell und für eine Enteignung und Vergesellschaftung von YouTube und eine kommerzfreie und gemeinnützige Alternative, zum Beispiel unter dem Dach der EU, ausgesprochen hatte.
Aber damit hatte ich mich, wenn man sich die Zugriffszahlen meiner Anti-YouTube-Propaganda so ansah, wohl einfach zu wichtig genommen. Denn wenn da so ein kleines Würschterl ein bisschen herumnörgelt über die intransparenten Praktiken von YouTube und vor angeblichen antidemokratischen Gefahren der unsozialen Netzwerke warnt und auf deren sozialverträgliche Umgestaltung drängt, dann juckt das YouTube und Konsorten nicht im geringsten. Kaum werden sie deswegen dann anfangen, zehn Jahre alte Videos des Nörglers willkürlich und aus fadenscheinigen Gründen von ihren Plattformen zu nehmen. Nein, ein persönlicher Angriff wird das wohl kaum gewesen sein.
Sehr viel wahrscheinlicher ist es doch, hatte ich mir dann gedacht, dass sie mit ihrer Maßnahme gegen mein Video sehr wohl einer bestimmten Generallinie und Firmenpolitik folgen. Und aus einer gewissen Perspektive, wurde mir dann klar, macht das durchaus einen Sinn!
Denn was wäre denn, wenn das jetzt alle so machen würden wie ich in dem YouTube-Video und ihre wahre Identität offenlegen würden? Was wäre denn, wenn all die YouTuber und deren Kommentatoren sich nicht mehr hinter ihren Nick- und Künstlernamen, Bots und Avataren verstecken würden? Der ganze emotionsübersättigte, clickgenerierende und entsprechend hochprofitable YouTube-Geschäftsbereich „Belästigung, Drohungen und Cybermobbing“ wäre damit in der Folge in Gefahr, schwer einzubrechen!
So betrachtet macht das nun Sinn! Darum und genau darum sind also in den YouTube-Richtlinien, die ja eben auch keine Richtlinien sind gegen, sondern nur irgendwie zu Belästigung, Drohungen und Cybermobbing, „Inhalte, in denen personenidentifizierbare Informationen preisgegeben werden, […] nicht erlaubt.“
Und aus dieser Perspektive bekommt dann plötzlich auch der ansonsten etwas seltsam zusammenhanglos dastehende Satz in der Ablehnungsbegründung einen Sinn: „Wichtig ist uns […] vor allem, dass YouTube eine sichere Plattform für alle Nutzer ist.“ Eine sichere Plattform nämlich vor allem auch für diejenigen, die dort auch weiterhin massenhaft im Schutz der Anonymität ihren geschäftsfördernden Hatespeech sollen abladen können. Entsprechend ist, „personenidentifizierbare Informationen preiszugeben“, wie ich es tat, nicht nur nicht nötig, (wie es zur Hatespeech-Eindämmung ja auch immer einmal wieder diskutiert wurde,) sondern im Gegenteil ausgesprochen unerwünscht und darum auch in den Richtlinien explizit verboten.
Für Facebook ist es durch die Whistleblowerin Frances Haugen bezeugt worden, wie sie dort auch den Teufel getan haben, sich selbst solcher lukrativer Geschäftsfelder zu berauben. Ob es sich dort um Hatespeech drehte, um die Gefahr von Magersucht bei Heranwachsenden, um das Suchtverhalten in Bezug auf soziale Medien generell und, und, und - eingeschritten ist Facebook gegen seine immens schädlichen Folgen immer nur in soweit, als es sich angesichts des öffentlichen Drucks gerade nicht mehr vermeiden ließ.
YouTube betont genau wie Facebook bei jeder Gelegenheit, dass sie alle Anstrengungen unternehmen würden, gegen Cybermobbing etc. auf ihrer Plattform vorzugehen. Wie das dann in der Praxis aussieht, das hat man jetzt auch in meinem Fall gesehen. Entweder sie wollen nicht wirklich etwas dagegen tun und entfernen im Gegenteil Videos, die sich für mehr Transparenz und Offenheit einsetzen und, machte dies Schule, sich gegen Cybermobbing etc. auswirken würden, oder aber sie können es halt einfach nicht und entfernen de facto nur rein alibimäßig mal hier etwas und dann mal da. In beiden Fällen ist es gleichermaßen unverantwortlich, sie so weiter herumhantieren zu lassen mit diesem (unserem!) ständig weiter wachsenden Riesenberg aus sensiblen Daten.
02. Juni 2022
Seidenstraße
Aus gegebenem Anlass wird die Seidenstraße ab sofort in Völkermordstraße umbenannt.
01. Juni 2022
Eins und eins zusammenzählen
Irgendwie wäre es vernünftig, allmählich mal aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, habe ich jetzt wieder öfter gehört, so von wegen der Klimaerwärmung und so und damit die Städte und Länder an den Küsten nicht in 100 oder 200 Jahren nur noch mit einem Taucheranzug besucht werden können und damit hier im Inneren des Kontinents in Zukunft nicht andauernd Tornados und Starkregen, wenn man zum Beispiel nur ganz friedlich einkaufen gehen will, Sach- und Menschenschäden verursachen. Blöd wäre es vor allem auch, wenn von wegen des CO2 in der Atmosphäre ein Point of No Return käme und wenn der gar noch paradoxerweise sehr wohl wichtige Sachen returnen würde, große Meeresströmungen zum Beispiel.
Und auf der anderen Seite könnte man sich ja auch mal überlegen, habe ich mir gedacht, ob man nicht dem Kriegsherrn in Moskau sein Geschäft ein bisschen erschweren könnte. Weil Frieden ja doch viel schöner wäre. Finde ich jedenfalls. Da bin ich Pazifist. Aber da gibt es für uns halt leider kaum Möglichkeiten. Ein Kaufboykott russischer Waren zum Beispiel fällt ganz aus. Weil die produzieren ja nichts. Nichts, was der Rede wert wäre. Eine komplett veraltete Wirtschaft haben die da in Russland, komplett im Arsch. Das einzige, womit Putin seinen Krieg finanzieren kann, sind gerade mal Öl und Gas. Und darauf können wir halt nun leider nicht verzichten. Also jedenfalls nicht sofort und nicht in Gänze und von jetzt auf gleich.
Drum ist da jetzt, will man beide Problemfliegen mit einer Klappe schlagen, viel Augenmaß gefragt. Am besten ist ja auch oft der Mittelweg. Klimatechnisch würde das also bedeuten, möglichst in nächster Zeit weniger Fossiles in die Atmosphäre zu verbraten, damit der Point of No Return vielleicht erst in zehn Jahren kommt. Während es hingegen andererseits, was Putins Krieg angeht, angesagt wäre, ihm möglichst wenig Fossilstoffe abzukaufen, um ihm nicht dadurch jeden Tag ein paar Hundert Millionen Euro in seine Kriegskasse zu stopfen.
Da ist jetzt wirklich guter Rat teuer: Weniger Fossilstoffe verheizen oder weniger Öl und Gas von Putin kaufen? Die Pest bekämpfen oder die Cholera? Man kann halt leider nicht alles haben. Es ist ein unlösbares Dilemma.
Was ich für eine Übergangszeit vorschlagen würde: Geeignete Anreize schaffen. Die Spritsteuern streichen, damit das Benzin endlich wieder billiger wird. Die Autopendlerpauschale erhöhen. Denn die Inflation ist eh schon stark genug. Oder halt einfach mal, wenn einem die großen Weltprobleme über den Kopf zu wachsen scheinen, eins und eins zusammen zählen. Denn das kann so schwer nun auch wieder nicht sein!
22. Mai 2022
Krieg in der Ukraine
Wie der Krieg auch ausgehen mag - Baumarktaktien sind auf jeden Fall ein heißer Tipp.
22. Februar 2022
Ein Funkspruch
Am Montag, dem 21. Februar wurde gleich in aller Frühe der folgende Funkspruch abgesetzt:
„Winnie Poo an Topless-Tiger! Winnie Poo an Topless-Tiger! Die Pekingente ist gegessen. Die Sportdeppen sind aus aller Welt brav angetanzt, die Medien haben fast gar keine dummen Fragen gestellt, die Fernsehtrotteln haben's gefressen und waren begeistert. Außer die aus Uiguristan natürlich, oder wie das heißt, Zwinkersmiley …
Ein Dank nochmal, dass du bis nach der Schlussfeier gewartet hast. Du kannst jetzt loslegen. Jetzt zeig uns mal in deinem postsowjetischen Hinterhof, was du so drauf hast in Sachen Greisengroßmannssucht und nationalpatriotisches Eierschaukeln! Bussibussi“
31. Jänner 2022
Darf man die Olympischen Winterspiele in Peking im Fernsehen mitverfolgen?
Massenhafte Internierung und sog. „Umerziehung“ der UigurInnen, sodass es durchaus in Richtung Völkermord geht; die Menschenrechte werden ganz offiziell in China von der totalitär herrschenden Partei als ein „unangemessenes Konzept“ angesehen für das Land; und jetzt also die Olympischen Winterspiele in Peking, ein absehbar monströses verlogen-kitschiges Propagandaspektakel auf Kunstschnee zur Hebung des Ansehens der Diktatur, von den demokratisch konstituierten Ländern alibimäßig gerade so weit „auf diplomatischer Ebene boykottiert“, dass es die Geschäftsgänge der Sportverbände und ihrer Sponsoren nicht wesentlich tangieren und die patriotische Penetranz, zu der diese sportlichen Großereignisse ja systemübergreifend vor allem da sind, nicht schmälern wird - wäre es da nicht naheliegend, aus politisch-moralischen Gründen auf die Verfolgung der Spiele im Fernsehen ganz zu verzichten?
Ich schwanke noch, denn konsequenterweise stünde damit ja ebenso bald auch ein Verzicht auf die nächste Fußball-WM im Raum, in Katar, schon im kommenden Winter.
14. Jänner 2022
Herbert Achternbusch ist gestorben
Am 10. Jänner ist der große Künstler, avantgardistische Filmemacher, Dramatiker, Maler, Surrealist und Anarchist Herbert Achternbusch gestorben.
Am 26. November 2017 hatte ich mit einem Vortrag „Best and Worst of Herbert Achternbusch“ im Wiener Perinetkeller versucht, seinen Filmen gerecht zu werden. Wenn Sie auf das Bild klicken, kommen Sie zur Seite mit dem Vortrag und können ihn sich anhören.
24. Dezember 2021
Neue Erkenntnisse zur Omikron-Variante
Die Omikron-Variante des Coronavirus ist noch nicht lange unterwegs, aber ihre Erforschung macht gute Fortschritte. Einige der Mutationen scheinen für eine gewisse Musikalität des Virus verantwortlich zu sein, andere für dessen Vorliebe für traditionelles Liedgut.
Entsprechend lautet jetzt der Rat der ExpertInnen, bei den Zusammenkünften dieser Tage auf das gemeinsame Singen von Weihnachtsliedern möglichst zu verzichten.
21. Dezember 2021
Mein Feiertagsprogramm steht
Stets auf der Suche nach Sachen im Internet, die ich nicht schon kenne, bei denen nicht schon ein Algorithmus zuvor abgeklärt hat, dass sie meinem Geschmack und meinen Interessen entsprechen und von denen ich auch auf der anderen Seite nicht einmal weiß, - und spätestens hier wird die Suche echt schwierig! - dass sie bestimmten FreundInnen und Bekannten von mir gut gefallen, weil die sie mir nämlich empfohlen haben; stets also auf solch einer schwierigen Suche nach Content im World Wide Web, den möglichst kaum ein Mensch kennt, den niemand mag, den kein Mensch braucht, bekam ich jetzt vor ein, zwei Wochen vom WebStandard den ergiebigsten Hinweis, den ich diesbezüglich je bekommen habe: Wer an Randständigem und Abseitigem Interesse hätte, lautete der Tipp, solle doch mal einen Ausflug ins UbuWeb tun.
Das UbuWeb ist ein gigantisch großes Archiv für Avantgardekunst, naturgemäß schwerpunktmäßig aus Europa und vor allem aus den USA, wo die Seite beheimatet ist, aber durchaus auch aus aller Welt und mit dem Anspruch, dieser Unausgewogenheit möglichst gegenzusteuern. Es finden sich dort tausende und abertausende von Videos, Musikstücken, Tonaufnahmen, Büchern, Comics, Texten, Plakaten, Grafiken, und, und, und.
Freimütig bekennen sich die BetreiberInnen, dass ein Großteil des Contents gerippt und geklaut sei. Entsprechend sind die Videos, auch aus Speicherplatzgründen, nicht in guter Qualität. Aber das wird durch die schiere Fülle des Materials locker wieder gutgemacht.
Ich habe mich jetzt schon ein paar Nachmittage lang dort herumgetrieben. Erst hatte ich ein bisschen querbeet gesurft, dann habe ich mich entschieden: Ich werde das alles studieren! Systematisch. Alles alphabetisch durchgehen. Bis zu den Anfangsbuchstaben AD bin ich schon gekommen. Da bleibt jetzt noch einiges zu tun. Mein Feiertagsmedienkonsum ist gesichert.
Was hatte ich da nicht schon alles entdecken dürfen, nur bis zu diesen Anfangsbuchstaben AD: Die Punkikone Kathy Acker kannte ich bisher noch nicht. Der Aktionskünstler Bas Jan Ader aus den Niederlanden ließ sich zu Ende der 1960-er Jahre zum Beispiel, auf einem Sessel sitzend, vom Dach eines Einfamilienhauses hinunter in den Garten fallen und er zelebrierte noch zahlreiche weitere solche „Falls“, bevor er bei seiner letzten Kunstaktion auf einem winzigen Segelboot zu einer Atlantiküberquerung ablegte und seither spurlos verschwunden ist. Es gibt da natürlich auch relativ Belangloses: Die „Adbusters“ sind mit einer altbackenen, konsumkritisch gemeinten Montage aus Fernsehbildern vertreten. Und es gibt natürlich auch Ärgerliches - so hatte ich es mir ja gewünscht: Die linksextreme bis linkssektiererische Kunst des Japaners Masao Adachi, Videobilder, unterlegt mit ellenlangen politischen Manifesten der japanischen Roten Armee und der palästinensischen PFLP, war wirklich nicht erträglich, und weiterzuzappen ist in solchen Fällen zum Glück ja auch immer eine Option. Mit Friedrich Achleitner war auch Wien bereits (und zwar mit Mundartpoesie) in dem Archiv vertreten.
Angekommen, beziehungsweise hängengeblieben bin ich jetzt also bei AD wie Adorno. Hier haben wir übrigens auch ein schönes Beispiel vor uns, wie sie im UbuWeb immer wieder die hübsche Idee umsetzen, im Falle der bekannteren Personen vorzugsweise auch deren weniger bekannte Seiten ins Archiv zu nehmen: Außer Radiosendungen, Interviews und Gesprächen und Vorlesungen (ausgerechnet auch zu seinem härtesten Stoff, der Negativen Dialektik) finden sich da dann auch eine Reihe von Stücken aus Adornos weniger bekanntem Schaffen als Musikkomponist.
Für die Zeit der Feiertage und ein paar Jahre darüber hinaus bin ich jetzt also gut versorgt. Von mir aus könnte man in der Zwischenzeit, bis ich da durch bin, gerne den Datenkraken YouTube enteignen, einstweilen einmal abdrehen, von allen kommerziellen und privatwirtschaftlichen Interessen reinigen, eine sozialverträgliche und verantwortungsbewusst moderierte Version neu aufsetzen und als gemeinnützig betriebene Videoplattform neu starten.
Und entsprechend könnte man anschließend ebenso verfahren mit … Oder nein, halt, stop - jetzt habe ich mich doch ziemlich vergaloppiert! Mit dem UbuWeb ist im Grund schon alles gut. Mehr braucht's im Grunde gar nicht mehr.
[ Nachtrag am 24. Dezember 2021 ]
Als ich da zum UbuWeb geschrieben hatte: -
… ein gigantisch großes Archiv für Avantgardekunst, naturgemäß schwerpunktmäßig aus Europa und vor allem aus den USA, [...] aber durchaus auch aus aller Welt und mit dem Anspruch, dieser Unausgewogenheit möglichst gegenzusteuern …
dann weiß ich jetzt, nach intensiverem Studium der Website, nicht mehr, ob ich das irgendwo in der Selbstdarstellung gelesen hatte, oder war da nur mein Wunsch der Vater des Gedankens?
Bisher ist mir da jedenfalls noch nichts untergekommen, das nicht aus den USA, Europa oder Japan gekommen wäre. Das muss ich schon richtig stellen.
18. November 2021
Ein vorletztes Video auf YouTube
L’une de mes meilleures photos de tous les temps: „Le garçon pêcheur“
Der „Fischerjunge“ ist mit Sicherheit eines meiner besten Fotos ever. In dem Video erläutere ich die Vorzüge des Bildes, und wie ich zu der Aufnahme kam.
Weil das Video aber auch eine Abbitte an den (mittlerweile erwachsenen) Fischerjungen enthält, musste ich es auf YouTube einstellen, um die Chance zu erhöhen, dass er es möglicherweise auch wirklich zu Gesicht bekommt. Aus demselben Grund ist der Kommentar auf Französisch.
In der Abteilung mit den „neuesten Videos“ finden Sie aber auch eine deutschsprachige Version.
18. November 2021
Ein letztes Video auf YouTube
„Before You Continue on YouTube“
Nach einer gründlichen Abwägung der Vor- und Nachteile habe ich mich jetzt doch entschieden, keine Videos mehr auf YouTube hochzuladen. In einem letzten Video, erstellt für die Nutzer der Seite, erörtere ich die Gründe. (Der Kommentar ist auf Englisch.)
28. September 2021
Sondierungsgespräche
Nach den deutschen Bundestagswahlen
Es liegt jetzt an den Grünen und den Freidemokraten. Wenn die sich einigen, können sie unter Luschet von der Union oder unter dem Wirecard-Olaf von der SPD mitregieren. Wenn sie sich nicht einigen, bleibt rechnerisch nur eine Neuauflage und Weiterführung der nicht mehr sehr großen Koalition übrig und landen sie beide wieder in der Opposition.
Mir träumte, ich war Emissär gewesen und hatte für die FDP bei den Grünen vorsondieren müssen, und ich hatte da folgendermaßen argumentiert: -
„Ihr habt eure Agenda, wir haben die unsrige. Der Luschet streut uns beiden Rosen und will uns ins Regierungsboot locken, der Wirecard-Olaf auch. Die Unterschiede zwischen uns jetzt mal hintangestellt - unter wem hätten wir wohl mehr Gewicht und Einfluss in einer gemeinsamen Regierung? Unter einem schwachen, auch in der eigenen Partei umstrittenen Luschet, gebrandmarkt mit dem schwächsten CDU-Wahlergebnis ever, oder unter einer sich gerade wieder erholenden, wieder erstarkenden SPD?
Unter welchem Kanzler könnten wir uns da wohl mehr einbringen und in einer gemeinsamen Regierung profilieren? Unter welchem Kanzler wäre da wohl die Gefahr für uns geringer, als Juniorpartner in der Regierung aufgerieben und über den Tisch gezogen zu werden, von den Medien nur in zweiter Linie beachtet zu werden, faule Kompromisse schließen zu müssen und damit, wie das für die Kleineren in den Koalitionen halt immer so geht, unsere Basis und die potentiellen zukünftigen WählerInnen zu vergraulen?
Liebe Grüne, das ist doch keine Frage! Ihr wollt in der künftigen Regierung eurem Klimathema möglichst viel Gewicht verschaffen? Wie wird euch das wohl besser gelingen? Unter einem SPD-Kanzler, der sich im Aufwind befindet und sich alle eure Erfolge umgehend ans eigene Revers heften wird oder unter einem CDU-Kanzler, dem jetzt und bis auf weiteres erst einmal noch der Ruch des Losers anhaftet?
Da kann es doch wirklich nur eine vernünftige Entscheidung geben. Lasst uns den Luschet zum Kanzler küren!
Machen wir doch mit bei Armins Koalition der Zukunft! Da müssen wir doch auch bloß mal nach Österreich blicken. Dort läuft es doch auch ganz super mit einer Kombi aus Schwarz und Grün.
Und auf der anderen Seite: Wie ist es euren österreichischen Gesinnungsgenossen ergangen in einer Koalition mit der SPÖ in Wien? Bei der erstbesten Gelegenheit haben die euch aus der Stadtregierung wieder hinaus gekickt und durch eine Koalition mit den Neos ersetzt.“
Mir träumte, spätestens mit meinem Verweis auf die schmerzhafte Wiener Erfahrung mit der SPÖ waren meine grünen GesprächspartnerInnen überzeugt, und so hatte der Wiener Obersozi Ludwig mit seinem Wechsel zu einer Koalition mit den Neoliberalen letztlich auch indirekt dazu beigetragen, dass sein deutsches Pendant Olaf Scholz gar niemals in die Position gekommen war, in einer entsprechenden Situation wieder einen Verrat an den kleineren Koalitionspartnern in Erwägung zu ziehen.
[ Nachtrag vom 16. Oktober 2021 ]
Falsch geträumt?
Vernünftigerweise würden sich die Grünen und die FDP in Deutschland darauf einigen, sich mit Laschets CDU in eine Regierungskoalition zu begeben, hatte es mir im September geträumt. Dass der Unionsspitzenkandidat Laschet nun aber von Söder und aus den eigenen Reihen dermaßen gründlich demontiert werden würde, dass sich fürderhin jedeR auch nur halbwegs AmbitionierteR tunlichst davor hüten würde, an ihm auch nur anzustreifen, das hätte ich mir auch in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können. Und so kommt es nun in Deutschland also offenbar, anders als in meinem Traum, zu einer Koalition aus Grünen und FDP mit Olaf Wirecards SPD.
Aber vielleicht hatte ich meinen Traum auch nur falsch gedeutet. Man sollte Träume nie zu wörtlich nehmen. Der Konnex in meinem Traum auch zur österreichischen Politik könnte vielleicht ein Hinweis gewesen sein, wie der Traum treffender hätte interpretiert werden können. Dann wären diese deutschen Grünen und Liberalen, die sich da in meinem Traum verabredet hatten, dem Loser Laschet die Stange zu halten, vielleicht auch schon nachgerade prophetisch für die österreichischen Grünen gestanden, die sich nun ja auch tatsächlich darauf geeinigt haben, lieber dem hiesigen Mega-Absteiger Sebastian Kurz und dessen Partei ÖVP weiter den Steigbügel zu halten, als vielleicht einer anderen Partei wie der SPÖ oder gar der FPÖ durch eine Kooperation leichtfertig auf die Beine zu verhelfen.
07. August 2021
Die Olympischen Spiele
heute, gestern und morgen
1. Heute: Ich bin so stolz
Ich bin so stolz. Ungeheuer stolz. Die Leistungen der österreichischen Sportlerinnen und Sportler bei den Spielen machen mich stolz. Meine überwiegend österreichisch geprägte Umgebung ist darüber stolz und zufrieden und so etwas ist ansteckend und entsprechend bin auch ich darüber sehr stolz.
Weil ich darüber hinaus aber auch noch direkte leibliche Vorfahren mit einer deutschen Nationalität in meinem Stammbaum vorzuweisen habe, machen mich auch die Leistungen der deutschen Sportlerinnen und Sportler bei den Spielen sehr stolz.
Und drittens bin ich ja auch noch mit noch sehr vielen weiteren StarterInnen bei den Olympischen Spielen, im Grunde mit allen von ihnen ebenfalls verwandt, wenn auch in einem entfernteren Sinne. (Was in Zeiten des nationalen Taumels manchmal aus dem Blick zu geraten droht.) Und so freue ich mich auch über deren Leistungen oder ich leide mit ihnen mit, und jedenfalls machen mich auch die, sobald sie Beachtliches leisten, stolz.
Ich stolziere da sozusagen auf verschiedenen Ebenen. Einerseits schwanke ich oft hin und her, auf was ich da am stolzesten bin und sein kann, andererseits machen mich aber auch die Spiele im Ganzen betrachtet sehr stolz - stolz als Mensch. Dass sie überhaupt abgehalten werden konnten in Zeiten einer Pandemie. Dass es uns mit den Spielen jetzt endlich gelungen ist, dem Virus nicht nur Paroli zu bieten, sondern ihm sogar gleich ganz die kalte Schulter zu zeigen - auch das macht mich ungeheuer stolz.
Ja, es macht mich stolz als Mensch, dass die Hygiene- und Abschottungskonzepte so gut gefruchtet haben, dass nur so um die zweihundert SportlerInnen ihre geplante Teilnahme coronabedingt hatten wieder absagen oder aus dem Olympischen Dorf hatten wieder abreisen müssen. Es macht mich stolz und zufrieden als Mensch, dass aufgrund dieser erfolgreichen Konzepte trotz der olympiabedingten massiven Reisetätigkeit am Tag 5 der Spiele in Tokio nur gerade einmal 2848 Neuinfektionen zu verzeichnen waren und dass diese Quote auch am Tag 6 nicht höher als auf nur 3177 angestiegen ist.
Diese nur wenigen Hundert Bedauernswerten, was sind sie, rechnete ich mir dann immer wieder einmal vor, gegen die x Millionen von Menschen in aller Welt, die wie ich da nun endlich einmal für zwei Wochen unsere Sorgen haben vergessen können, während wir alltäglich beziehungsweise -nächtlich vor den Fernsehapparaten saßen oder lagen und begeistert dieses grandiose Event verfolgten, diese Olympischen Spiele, wie es sie so noch nie zuvor in der Geschichte gegeben hatte?
2. Gestern: Ein geschichtlicher Abriss der Spiele von der Antike bis heute
Ein weiter Weg war es von den bescheidenen Anfängen der Olympischen Spiele im alten Griechenland bis zu dem weltweit verfolgten Megaevent von heute. Mit nur ein paar Dutzend nackigen Adelssprösslingen, die sich in nur wenigen Disziplinen gemessen hatten, hatte es damals angefangen.
Die Sieger (Frauen hatten nicht einmal als Männer verkleidet teilnehmen können, denn die Teilnehmer trugen, wie gesagt, keine Kleider) hatten, von der Weltöffentlichkeit ganz unbemerkt, nicht mehr als nur ein wenig Ruhm geerntet und bekamen einen symbolischen Siegeskranz aufgesetzt, geflochten aus aromatischen Gewürzblättern. Alle anderen, die unterlegenen Teilnehmer waren vom Publikum mit dem legendär gewordenen hämischen Spottwort bedacht worden: „Dabeisein war alles!“, und dann ging man auch schon wieder auseinander und das war's dann auch schon wieder bis zur nächsten dieser belanglosen Familienfeiern auf dem heiligen Berg Olymp, vier Jahre später.
Eine größere Aufmerksamkeit erfuhren die Spiele erst viel später, unter der Herrschaft der Römer. Sie modernisierten und erweiterten die Spiele, indem sie neue Disziplinen einführten, um die Attraktivität zu erhöhen und um breitere Bevölkerungsschichten anzusprechen. Im Zuge dessen wurden die Olympischen Spiele dann zuerst umbenannt in „Brot und Spiele“ und dann, nachdem der vierjährige Rhythmus abgeschafft worden war und praktisch andauernd irgendwo welche stattfanden, in „Gladiatorenspiele“.
Die erfolgreichsten Gladiatoren der Römerzeit hatten dann durchaus auch schon einen ähnlichen gesellschaftlichen Status inne wie die heutigen Superstars des Sports. Aber wegen der verhängnisvollen Tendenz der Spiele zum „Immer schneller, immer härter, immer spektakulärer“ kamen auch diese Superstars in aller Regel nach relativ kurzen Zeiten des Erfolgs ebenso zu Tode wie die bereits in den Vorrundenkämpfen Ausgeschiedenen, was die Identifikation des Publikums mit seinen Idolen doch auch immer wieder erschwerte. Mit den immer neu hinzugekommenen Disziplinen, zu Wasser, gegen Tiere, im Einzel mit dem Fischernetz gegen die Pike und so weiter, setzte im Laufe der Zeit eine Übersättigung ein. Die Barbareneinfälle in das niedergehende Weltreich taten das ihre dazu und erschwerten immer wieder die regelmäßige Abhaltung, und spätestens als sich dann auch noch das finstere Mittelalter breitmachte, das sich ganz uninteressiert zeigte an jeder Art von Sport, waren die Spiele im Grunde so gut wie vergessen.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte dann ein weiterer Adliger mit dem klingenden Namen Pierre de Coubertin die Idee, die Olympischen Spiele von einst wieder aufleben zu lassen. Machthaber ganz verschiedenster Couleur fanden die Idee gut und haben es seither immer unterstützt, sie nun wieder wie im alten Griechenland im Vierjahresrhythmus abzuhalten.
Nur die Weltkriege I und II waren seither der Abhaltung des regelmäßig stattfindenden friedlichen Wettstreits der Völker im Wege gestanden, und wegen der Corona-Pandemie von 2020 waren die Spiele ebenfalls kurz in Gefahr, aber dann hatte ein in die Vorbereitung involvierter IOC-Mann die praktische Idee, wenn man mit dem Weiterzählen der Jahreszahlen einfach ein Jahr lang aussetzen würde, dann würde man Tokio 2020 trotz Seuche auch dann noch abhalten und in gewohnter Weise Nutzen daraus ziehen können, wenn das Kalenderjahr 2020 in der gewöhnlichen Welt bereits abgelaufen wäre und in der Vergangenheit liegen würde.
Und dies ist nun auch als Verweis zu lesen auf einen Generalzug der Spiele: Weil die Welt sich beständig ändert, so war auch ihr Spiegelbild, so waren auch die Olympischen Spiele der Neuzeit einem beständigen Wandel unterworfen. Als beharrendes Moment auf der Gegenseite versuchte dabei stets - ebenfalls ganz analog zur gewöhnlichen Welt - eine Riege alter reicher weißer Männer im Internationalen Olympischen Komitee, sich gegen jeglichen solchen Wandel erst einmal anzustemmen. So hatte sie niemals etwa nur deshalb gleich einem Teilnahmerecht auch von Frauen bei den Olympischen Spielen zugestimmt, weil die Damen vielleicht gerade in der restlichen Welt eine Aufwertung erfahren und in ein paar Ländern ein politisches Stimmrecht zugestanden bekommen hatten. Nein, bedachtsam bremste da das IOC in solchen Fällen grundsätzlich immer erst einmal für ein paar Jahrzehnte lang aus und wachte in solchem gut wertekonservativen Geist stets über die alte Tradition.
Deshalb wurden auch nur sehr selten einmal nicht mehr zeitgemäße Disziplinen aus dem olympischen Programm genommen. Was war das nicht für ein langes Ringen gewesen, bis das altehrwürdige, aber unverkennbar altmodisch gewordene behäbige Tauziehen 1936 endlich doch dem zeitgemäßeren Handgranatenweitwurf und etwas später dem Modernen Fünfkampf hatte weichen müssen? Und wieviele anklagende Hinweise auf die nicht mehr zeitgemäße permanente Untergriffigkeit des Freistilringens hatte es nicht schon gegeben? Aber diese die Athleten (und jetzt sogar auch noch Athletinnen!) entwürdigende Disziplin ist nach wie vor im Programm.
Und so zieht sich das durch. Besonders deutlich wird es auch an der Disziplin des Gehens. Sie ist unzeitgemäß wie kaum eine zweite, denn wer geht heute, in den Zeiten des Elektroscooters, schon noch? Trotzdem hatten auch in Tokio wieder viele Sportler gehen müssen, nicht enden wollende 50 Kilometer weit, bei sengender Hitze.
Die Liste ließe sich fortsetzen: Dressurreiten. Überhaupt der Reitsport. Fechten. Tontaubenschießen. Unzählige Disziplinen werden, obwohl hoffnungslos veraltet, nur deshalb noch weiter ausgetragen, weil das IOC immer so unerbittlich über die Traditionen wacht.
Kleine Gegentendenzen neben jenen großen, traditionell bewahrenden gibt es im IOC jetzt aber doch auch immerhin zu vermelden: Zu all diesen antiquierten, beinahe trotzig beibehaltenen alten Wettkämpfen gesellen sich jetzt wenigstens auch immer wieder einmal neue hinzu. Es ist das Verdienst einiger jüngerer und dynamischer denkender Neumitglieder im IOC, und sie können sich damit durchsetzen, weil es unbestreitbar einen frischen Wind in die Spiele bringt und weil ihnen auch niemand das profunde Sachwissen ihrer Expertise abstreiten wird, denn sie sind nämlich auch bestens vernetzt mit vielen wichtigen Leuten aus der Trendsportartikelbranche.
3. Morgen: Was ich persönlich mir in Zukunft von den Olympischen Spielen erwarte
Ich wünsche mir Spektakuläreres. Mehr Zeitgemäßes. Ein bisschen mehr existentielle Härte und Schärfe, sodass es auch weiterhin die gestiegenen Anforderungen im Berufsleben und in der Freizeit wiederspiegelt.
Standup-Paddeling im Wildwasserkanal. Skateboard-Downhill an der Kletterwand. Pfeil-und-Bogen-Gotcha, als Einzel- und Teambewerb. Fightclubbing, Martial Arts, so wie es im Fernsehen schon lange etabliert ist. Als einen Ansporn zur Selbstoptimierung halt, kurz gesagt, in allen ihren Facetten.
Wegen der intensiven Betätigung in der „DEPENDANCE VERFALLSLABOR“ von Halbs Mini-Museum hatte das Medien-Tagebuch zuvor ein paar Monate Pause.
HIER GEHT'S ZU DEN TAGEBUCH-EINTRÄGEN DAVOR, von 2020 und 2021.